#02 Ein Titel und ein Tweet, die in die Irre führen

„Unser Nachbarkontinent wird immer wichtiger“, habe ich vergangene Woche auf Twitter geschrieben. Deshalb soll es auch diesen Newsletter geben, der sich (wöchentlich) mit dem Verhältnis zwischen Deutschland und Afrika beschäftigt. Ich selbst finde die von mir gewählte Formulierung im Nachhinein irreführend. Aus der Sicht der Menschen auf dem Kontinent war Afrika schon immer wichtig. Das gilt unabhängig von Zahlen zu Bevölkerung und Wirtschaftswachstum.

In den vergangenen Jahren hat sich jedoch etwas in der öffentlichen Wahrnehmung getan. Die Flüchtlingssituation hat Politikern und Bürgern vor Augen geführt, wie eng unser Schicksal mit dem der Menschen des Nachbarkontinents verbunden ist. Deshalb ist Bundeskanzlerin in der vergangenen Woche auch nach Ägypten und Tunesien gereist. In Tunesien stand die Frage nach dem Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern im Mittelpunkt des Treffens mit dem Präsidenten des Landes. Die beiden Staatsvertreter einigten sich darauf, dass abgelehnte Asylbewerber künftig schneller abgeschoben werden können.

Auch den Stopp in Ägypten präsentiert Merkel als außenpolitischen Erfolg: Ägypten würde die Arbeit deutscher politischer Stiftungen wieder zulassen. Ein Gericht in Kairo hatte 43 Mitarbeiter ausländischer Nichtregierungsorganisationen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Zwei deutsche Mitarbeiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gehörten ebenfalls dazu, die daraufhin im Mai 2016 das Land verlassen mussten. Merkel und Al-Sissi konkretisierten nun in einem Abkommen, dass die Arbeit der Stiftungen rechtlich abgesichert werden soll. Es ist unwahrscheinlich, dass das die Lage der politischen Stiftungen insgesamt merklich verbessern wird. Im DLF lief neulich ein Hintergrund, der nicht nur die besorgniserregende Lage in Ägypten beleuchtet, sondern die Behinderung von Nichtregierungsorganisation als globales Phänomen beschreibt: In den vergangenen drei Jahren wurden in über 60 Ländern Gesetzte gegen sie verabschiedet.

Al-Sissi und Merkel ließen sich zudem per Video zur Eröffnung des größten Gaskraftwerks der Welt zuschalten. Joe Kaeser, der Chef von Siemens war Teil der Wirtschaftsdelegation der Kanzlerin. Für den Münchner Konzern ist es der größte Auftrag der Firmengeschichte. Gemeinsam mit zwei weiteren Anlagen soll der Kraftwerksverbund in Zukunft die Hälfte der ägyptischen Bevölkerung mit Strom versorgen.

Angesichts der Reise Merkels geriet in den Hintergrund, dass Gerd Müller in der Elfenbeinküste für seinen „Marshallplan mit Afrika“ warb. Noch besteht nur ein vages 30-seitiges Papier des Entwicklungsministers. Der DW-Korrespondent Adrian Kriesch hat die Begegnung zwischen Müller und Wirtschaftsvertretern des Kontinents beobachtet – und beschreibt deren Skepsis. Schützenhilfe erhielt Müller unterdessen von EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, dem Nachfolger von Martin Schulz, der ein ähnliches Programm fordert: „Entweder wir handeln jetzt oder es werden in den kommenden Jahren 20 Millionen Afrikaner nach Europa strömen“.

SZ-Autor Nikolaus Piper hat den Plan in seiner Kolumne aufgegriffen. Er plädiert für Müllers grundlegende Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit Afrika – aber ist zugleich verblüfft über den irreführenden Titel. Die Hilfe für Europa bestand einst überwiegend aus Waren und Krediten, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. In Afrika ginge es nun jedoch erst einmal darum, überhaupt eine Industrie aufzubauen.

Zum Schluss noch ein interessanter Artikel, auf den ich aufmerksam gemacht wurde. Im Blog des Deutschen Institut für Entwicklungspolitik schreibt Lars Harden über die Wahrnehmung Afrikas durch Medien in Deutschland. Der Fokus klassischer Zeitungen und Magazine liege zwar zu sehr auf negativen Entwicklungen. Aber immerhin würden Leser überhaupt mit Themen des Kontinents in Kontakt kommen. In Zeiten von sozialen Medien und Filterblasen bekämen viele nun jedoch gar nichts mehr davon mit.

Ein wenig schlägt dieses wöchentliche Update vermutlich in die gleiche Kerbe. Umso mehr freue ich mich natürlich über jeden Leser, der sich nicht bereits regelmäßig mit Afrika auseinandersetzt.

 

 

 

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