Fazit zur Kobalt-Berichterstattung: Applaus der falschen Seite

Das vergangene Jahr war ein gutes. Mit einem Stipendium von Netzwerk Recherche bin ich für ein paar Wochen in den Süden der DR Kongo geflogen, um über den Kobaltbergbau zu berichten. Hier nun ein paar späte Notizen dazu. 

Erst einmal: Danke Netzwerk Recherche und Olin für den Support – und eine Ermutigung an KollegInnen, sich ebenfalls für das Stipendium Umwelt/Ökologie zu bewerben. Fristen gibt es nicht. Was zählt, ist eine gutes Konzept. Meldet euch, wenn ihr Fragen habt!

Die Recherche hat sich gelohnt, wie ich finde. Ich habe einen Text für den Wirtschaftsteil der Zeit geschrieben über den durchwachsenen Versuch, eine einst illegale Miene in geordnete Bahnen zu bringen. Im Magazin brand eins erzähle ich von ebenfalls schwierigen Bemühungen Daimlers, etwas gegen Kinderarbeit in den Lieferketten zu unternehmen. Dass industrielle Minen nicht per se die Lösung für Menschenrechtsprobleme sind, beschreibe ich in einem Text für die Deutsche Welle. Dann gab es noch eine Studiogespräch für WDR Cosmo, für das ich leider keinen Link habe, sowie ein paar Eindrücke im Podcast der Zeit. Nach den ersten Texten kam zudem die Anfrage, auf der IAA ein Panel zur Frage der Nachhaltigkeit von E-Autos zu moderieren.

Hin und wieder hadere ich etwas mit dem Feedback. Denn da ist zum einen der Applaus der Dieselfans, die Greta Thunberg, der „Aktivistin aus Schweden einen Besuch in einer solchen Stätte empfehlen“, damit der Hype um die E-Mobilität ein Ende habe. Zum anderen wäre das der Vorwurf der anderen Seite, dass die Berichterstattung an „Scheinheiligkeit kaum zu überbieten“ sei, da (hier im Bezug zum Text bei brand eins) das Thema E-Mobilität im Vordergrund stehe. Warum „schießen sich plötzlich alle auf das Thema ein?“ werde ich gefragt. Schließlich käme Kobalt ja nicht nur in E-Autos zur Verwendung. Weil dieses Argument öfter fällt, hier eine meiner Antworten:

„Es ist eine relevante Frage, die Sie da stellen: Woher kommt das große Medieninteresse an dem Thema Kobalt – und zwar ausgerechnet im Zusammenhang mit der E-Mobilität? Ein Teil davon findet sich bereits im Text: die Vermarktung von E-Autos als eine nachhaltige Form der Mobilität. Wer mit dem Argument Umsatz machen möchte, muss sich auch kritische Fragen zu Sozialstandards stellen. Und genau das tun die Unternehmen intensivst, was bereits eine weitere Erklärung für das Medieninteresse ist. Der Text erfindet keine Debatte, sondern soll widerspiegeln, wie die Autobranche versucht, mit Problemen in den Lieferketten umzugehen. Es sind nicht nur Journalisten und Aktivisten, sondern die Investoren, die den Managern bei Daimler Sorgen bereiten. Sie fordern soziale Arbeitsbedingungen, bangen um Imageschäden und den Ruf der E-Mobilität. Darauf reagieren Firmen wie Daimler, unterstützen eine Schule wie die von Bon Pasteur und prüfen ihre Lieferketten. Der Text soll Antworten auf die Frage liefern, ob diese Bemühungen etwas bringen.

Warum sich Journalisten vor allem mit den Arbeitsbedingungen auseinandersetzen, seit das Thema E-Mobilität groß geworden ist? So ganz stimmt das nicht. Andrea Böhm, Journalist der Zeit, hat schon im Jahr 2011 eine Reportage aus der Region geliefert, nachzulesen im Buch „Gott und die Krokodile“. Als Amnesty International 2016 ihren Report „This is what we die for“ veröffentlichten, recherchierten sie die Lieferketten der Elektronikhersteller wie Sony gleichermaßen. Auch Siddharth Kara, der im Text erwähnt ist, hat in den USA vor allem Elektronikhersteller angeklagt. Das haben Journalisten auch entsprechend wiedergegeben. Außerdem hat auch die steigende Nachfrage nach Batterien für die E-Mobilität dem Kobalt-Bergbau zuletzt zu einem Boom verholfen.

Klar, die Probleme mit Kobalt werden auch instrumentalisiert. Mir sind da Texte der rechtspopulistischen Autorin Vera Lengsfeld in Erinnerung, die mit dem Verweis auf die Arbeitsbedingungen die E-Mobilität als solche diskreditieren und Verbrenner verteidigen möchte. Ähnlich argumentiert auch die AfD.

Was sich ich da als Journalist machen? Lieber nicht über einen Missstand berichten, weil er Gruppen in die Hände spielen würde, deren Motive ich nicht teile? Natürlich nicht. Würde ich mir als Journalist vor jeder Recherche erst einmal die Frage stellen, wer die Argumente wie für sich nutzen könnte, wäre ich nicht mehr frei und unabhängig in meiner Arbeit. Gibt es Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten, dann möchte ich darüber berichten.“

Es ging noch ein bisschen hin und her. Und ich glaube mittlerweile, an der ein oder anderen Stelle könnte in Texten zum Thema tatsächlich noch mal erwähnt werden, dass Kobalt beispielsweise auch als Metalllegierungen verbaut wird und zum Entschwefeln von Dieseln genutzt wird, also auch der Verbrenner nicht frei von Problemen ist. Aber ist es nötig, LeserInnen pädagogisch anzuleiten und jedes Mal im Detail zu erläutern, dass die E-Mobilität nicht angetreten ist, Menschenrechtsprobleme in den Lieferketten zu lösen, sondern die CO2-Bilanz zu mindern? Ich jedenfalls würde ihnen zutrauen, selbst auf diesen Gedanken zu kommen.

 

 

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